Im Botanischen Garten von Palermo drängte sich Goethe 1787 die Idee der Urpflanze auf. Dort kam er dem „Geheimnis der Pflanzenerzeugung und Organisation“ auf die Spur, getreu seiner Überzeugung, „daß die Natur kein Geheimnis habe, was sie nicht irgendwo dem aufmerksamen Beobachter nackt vor die Augen stellt“ (Tag- und Jahreshefte, 1790):

„Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt, um welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu, kann man alsdann noch Pflanzen in’s Unendliche erfinden […]“ (Italienische Reise, 17. Mai 1787).

Goethes Vorgehen, die Gestaltgesetze der Pflanzen und Tiere zu erkennen, um dann mit diesem „Schlüssel“ weitere Modelle zu erschaffen, erinnert an die Homunculus-Erzeugung, wie sie im zweiten Teil des „Faust“ geschildert wird: Der Mensch erschafft als neuer Prometheus Gestalten nach dem Vorbild der Natur, in diesem Fall ein künstliches Menschlein in einer Phiole. Ob Goethe selbst heutzutage versucht hätte, Organismen mit den Mitteln synthetischer Biologie zusammenzubauen?

Goethe hielt es für nötig, dass man sich „vor jeder Übereilung hüten“ müsse, wenn man „die Kräfte der Natur zu erkennen sich bestrebt“ („Der Versuch als Vermittler von Subjekt und Objekt“, 1792). So wird im „Faust“ der Homunculus nach der Erzeugung dem Meer anvertraut, wo er sich „nach ewigen Normen, durch tausend, abertausend Formen“ entwickeln soll.

 

 

 

 


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