26.04.2023, Mittwoch, 19:00 Uhr
Buchvorstellung mit Prof. Dr. Stephan Oswald (Universität Parma)

Eintritt frei

Stephan Oswald hat eine vielbeachtete neue Biographie Augusts von Goethe vorgelegt. August von Goethe, der berühmteste Sohn der deutschen Literaturgeschichte, fristet im allgemeinen Urteil ein trauriges Dasein. Was weiß man über ihn? Dass er ein Alkoholproblem hatte, ist bekannt; sein früher Tod soll darauf zurückzuführen sein. Als Sohn des berühmten Vaters habe er – künstlerisch und literarisch unbegabt – seinem Namen wenig Ehre gemacht und sei sozusagen das schwarze Schaf der Familie.

Reduziert man ihn jedoch nicht auf die Sohnesrolle, sondern schildert sein Leben einmal aus seiner Sicht, kommt eine bislang unbekannte Person ans Licht. Nach Kindheit und Jugend in Weimar absolvierte er ein Jurastudium und trat in die herzogliche Verwaltung ein, wo er bald aufstieg und mit 34 Jahren zum Geheimen Kammerrat ernannt wurde. Als Kammerjunker und später Kammerherr gehörte er dem Hof an. Er heiratete eine Frau aus altem Adel, hatte drei Kindern und war ein angesehenes Mitglied der Weimarer Gesellschaft. Seine Lebensbeschreibung eröffnet einen intimen Einblick in das Leben am Frauenplan und die Verhältnisse im klassischen Weimar.

Entgegen seinem ostentativ unliterarischen Auftreten, um nicht als ‚der junge Goethe’ wahrgenommen zu werden, unternahm er sehr wohl eigene literarische Versuche. Die erhaltenen, bislang unbekannten Fragmente werden hier erstmals veröffentlicht.

Wahr ist allerdings auch, dass Goethe ihn mehr und mehr zu seinem Faktotum machte. Nach dem Tod seiner Mutter lag der Haushalt am Frauenplan allein auf seinen Schultern, gleichzeitig musste er den Vater während seiner langen Arbeitsaufenthalte in Jena versorgen, den Aufbau der wissenschaftlichen Sammlungen der Universität vorantreiben und als Goethes Assistent in allen möglichen Angelegenheiten fungieren. Sein ganzes Leben spielte sich im Schatten des Vaters ab, und aus dieser Dominanz, die seiner Entfaltung enge Grenzen setzte, hat er sich nie befreien können. Hier liegt die ganze Tragik seines Lebens.


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