1806 rezensiert Goethe in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung zwei Romane, deren Verfasserin ihm ein Jahr zuvor ihre "warme und innige Verehrung" brieflich bekundet hatte: Friederike Helene Ungers Melanie, das Findelkind (1804) und Bekenntnisse einer schönen Seele, von ihr selbst geschrieben (1806) werden von Goethe als Romane besprochen, die "viel Aehnlichkeit in der Fabel" in sich bergen und "Personen und Begebenheiten vorstellen, welche uns interessiren und auf eine angenehme Weise unterhalten." Motivisch sowie inhaltlich sind Ungers Romane in der Tat verbunden - beide lassen weibliche Figuren in Erscheinung treten, die einige Leitparadigmen der Goethezeit zur Reflexion bringen: Paradigmen der Bildung und der ,schönen Seele', ,Natur' und ,Kultur' werden aufgegriffen und eminent genderdiskursiv verhandelt. Die Affinität beider Romane erstreckt sich dabei auf ein intertextuelles Referenzgefüge, das Motive und Figuren aus Goethes Dramen und Romanen zitiert und kommentiert. Der Vortrag beleuchtet die Goethe-Anspielungen in Ungers Texten und stellt ihre gattungs-, gender- sowie gesellschaftsreflexiven Funktionen heraus.
(Dr. Jana Vijayakumaran)
Eintritt frei
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