26.10.2021, Dienstag, 11:00 Uhr bis 27.03.2022, Sonntag, 17:00 Uhr
Sonderausstellung

 

Wenn sie sich auch stets wandelt und dauerhaft nur im Wechsel ist, so bleibt sie doch, was sie war: „die einzige und unüberwindliche Universalmonarchie auf Erden“. Gemeint ist die Mode. Schon vor mehr als zwei Jahrhunderten reklamierte eine Zeitschrift selbstbewusst für sich, die Annalen dieses einzigartigen Königreichs zu schreiben. Welche könnte das gewesen sein? Die „Vogue“? – Nein. Obwohl dieses Magazin in der Presse auch als „Modebibel“ bezeichnet wird und ihre globale Chefredakteurin als deren einzige Königin, hat die mit knapp 130 Jahren noch relativ junge Zeitschrift die Geschichtsschreibung im Königreich der Mode nicht begründet.

Mehr als ein Jahrhundert älter als die „Vogue“ ist die erste deutsche Modezeitschrift, deren erstes Heft im Januar 1786 erschien – in dem Jahr, in dem in Deutschland die letzte Kleiderordnung erlassen wurde. Eben diese Kleiderordnungen waren es gewesen, mit denen die Stände über Jahrhunderte per Gesetz scharf und für alle sichtbar voneinander abgegrenzt wurden. Ein Verständnis von Mode im heutigen Sinne als freier Ausdruck der Individualität wurde erst in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs möglich.  

Das Magazin, das ab dem zweiten Jahrgang unter dem Titel „Journal des Luxus und der Moden“ Furore machte, war über Jahrzehnte hinweg das erfolgreichste journalistische Unternehmen Deutschlands. Dass es brandneu war, konnte man schon auf den ersten Blick erkennen. Die Hefte machten durch einen flammend orangefarbenen Umschlag auf sich aufmerksam, der von da an mit den Begriffen ,Luxus‘ und ,Mode‘ assoziiert wurde. Und das rund 150 Jahre bevor der französische Lederwarenhersteller Hermès ein solches Orange als Firmenfarbe erneut mit Luxusgütern in Verbindung brachte.

Das „Journal des Luxus und der Moden“ war mit seinen handkolorierten Druckgrafiken die erste Illustrierte Deutschlands. Es berichtete in der mediengeschichtlich wegweisenden Verbindung von Text und Bild nicht nur über die neuesten Damen- und Herrenmoden aus Paris, London und Wien, aus Italien sowie aus den deutschen Messestädten und Kurorten, sondern war auch Lifestyle-Magazin. Entsprechend dem Plural des Wortes ,Mode‘ (aus frz. mode: Art) im Zeitschriftentitel behandelte es nicht nur im engeren Sinne die zum Zeitpunkt des Erscheinens bevorzugte Art, sich zu kleiden, zu frisieren und zu schminken, sondern mit einem weiter gefassten Begriff auch andere Gegenstände oder Tätigkeiten, die gerade ,à la mode‘ waren. So informierte das Journal regelmäßig über Tischkultur, Einrichtungstrends und Gartenarchitektur, über Erfindungen für den Haushalt, über die neuesten Kutschen und Schlitten, über Literatur und Theater, glanzvolle politische Ereignisse, Reisen und ferne Länder sowie über Modespiele und Gesellschaftsklatsch.

In den gut vier Jahrzehnten seines Erscheinens von 1786 bis 1827 veröffentlichte das „Journal des Luxus und der Moden“ 12.000 Textbeiträge und 1.500 Abbildungen auf 40.000 Druckseiten. Und weil es trotz der wechselvollen Zeit zwischen Revolution und Restauration Bestand hatte und mit kritischem Blick die gesellschaftlichen Veränderungen in Europa registrierte, ist es heute auch eine bedeutende kulturhistorische Quelle.

Im Bestand des Goethe-Museums Düsseldorf sind nicht nur die 42 Jahrgänge des Journals nahezu komplett überliefert, sondern zur Sammlung gehören auch zahlreiche Gegenstände der angewandten Kunst, wie sie in der Zeitschrift vorgestellt wurden, so zum Beispiel Schmuck und Accessoires, Möbel, Silber, Porzellan und Glas. Daher lag es nahe, in einer Sonderausstellung zusammen mit dem Lifestyle-Magazin der Goethezeit auch Modeartikel von damals zu präsentieren und die dreidimensionalen Objekte wiederum Luxusprodukten von heute gegenüberzustellen.

Die Aus­stellung präsentiert die handkolorierten Hefte, die mit ihrem flammend orange­farbenen Einband auf die brandneue Mode aufmerksam machten, und zeigt am Bei­spiel alter und neuer Luxusgüter, wie manch ein Trend von damals das Design von heute inspi­riert.

Mode ist nicht nur Spiegel des Zeitgeists, sondern macht Kulturgeschichte sicht­bar. Die Ausstellung führt dies anhand besonderer Stücke von mehr als 20 Leih­gebern und aus den reichen Beständen der eigenen Sammlung vor Augen. Zu sehen sind neben Kleidern und Schuhen aus vier Jahrhunderten auch Accessoires und Einrichtungsgegen­stände berühmter Persönlichkeiten. Darunter Gemmenringe von Goethe und von Joseph Haydn, eine in Gold gefasste Miniatur, die Angelika Kauffmann der Herzogin Anna Amalia schenkte, Schmuck der Zarentochter Maria Pawlowna und solcher aus der Familie des Komponisten Johann Nepomuk Hummel sowie ein für Coco Chanel persönlich an­gefer­tigtes Mode­schmuck-Ensemble.

„Wir schreiben die Chronik des Geistes unserer Zeit, insofern er von der Mode be­herrscht, geleitet, und geformt wird“, erklärt der Herausgeber im „Journal des Luxus und der Moden“. Vom Zifferblatt ablesbar ist dieser Geist bei den besonderen Zeit­messern der Schau: einer Figurenuhr mit der personifizierten „Hora“ aus Ton, einer Tischuhr aus Schillers Besitz, die er vor Augen hatte, als er am »Wallenstein« schrieb, einer golde­nen Taschen­uhr, die einst Jerôme Bona­parte gehörte, und einer solchen aus dem Besitz des Großher­zogs Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach, die ein Jugendporträt seiner Schwester enthält, der späteren Kaiserin Augusta.

Überraschenderweise hatte das „Journal des Luxus und der Moden“ seinen Verlagssitz nicht etwa in einer Metropole wie Berlin oder in einer Messestadt wie Leipzig oder Frankfurt, sondern in der kleinen Residenz Weimar, die man gemeinhin als Klassikerstadt fernab vom modischen Puls der Zeit wähnt. Gegründet wurde es von dem Verleger Friedrich Justin Bertuch (1747–1822), der ein erfolgreicher Geschäftsmann und fleißiger Netzwerker war. Zum Mitherausgeber konnte er Georg Melchior Kraus (1737–1806), den Direktor der fürstlichen Zeichenschule, gewinnen, der zugleich die kunstvollen Bildtafeln entwarf. Die Informationen über das Neueste vom Neuen aus den Modezentren Europas beschafften den Herausgebern Korrespondenten im In- und Ausland. So wurde ein Kosmopolitismus der Mode auch von der Provinz aus möglich.

Zunächst aber mussten Bertuch und Kraus Vorurteilen vorbeugen und Angriffe abwehren, um ihr neues Projekt zu rechtfertigen. Die Weimarer Dichter und Denker fürchteten einen Siegeszug der Oberflächlichkeit. Wenn Goethe später auch selbst Beiträge im „Journal des Luxus und der Moden“ veröffentlichte und dessen Anzeigenteil dazu nutzte, für eigene Publikationen zu werben, so war es ihm doch ein rotes Tuch: „Es ist aber als wenn alles geistreiche diesen feuerfarbenen Einband flöhe“, schrieb er im Januar 1796 an Schiller.

Bereits im Vorwort zum ersten Heft sprechen die Herausgeber die zu erwartenden Vorwürfe direkt an: Luxus, davon seien ihre Gegner überzeugt, „ist die Pest der Staaten!“, schreiben sie. „Er verschwendet den reinen Ertrag zu unfruchtbaren Ausgaben; löst alles Gefühl für Moralität und Ehre auf; zerrüttet den Wohlstand der Familien, und liefert dem Staate Scharen Bettler!“ Aber Bertuch und Kraus zitieren ebenso auch die Befürworter: „Luxus, sagt der Finanzier und Technolog, ist die reichste Quelle für den Staat; der allmächtige Hebel der Industrie, und das kräftigste Triebwerk der Zirkulation. Er schafft Künste, Wissenschaften, Handel und Gewerbe und bewirkt Genuss und Glück des Lebens!“ Ihr Journal, davon waren Bertuch und Kraus überzeugt, sei ein geeignetes Mittel, um den negativen Entwicklungen neuer Trends entgegenzuwirken, denn es könne das ästhetische Urteilsvermögen seiner Leserinnen schärfen und sie vor Modetorheiten bewahren.

„Man traue ihr keine große Beharrlichkeit zu“, schreibt das Journal 1823 über die Mode. „Ihr Wesen und innerstes Streben ist Wandlung, Steigerung. Sie will Extreme, jetzt das Größte, dann das Kleinste und so bei dem Weiten und Engen, Bunten und Farblosen, Verhüllten und Entblößten.“ Beständig ist die Mode nur in ihrer Unbeständigkeit – damals wie heute.

Wir danken unseren Leihgebern:

Akris Prêt-à-Porter AG

Apropos. The Concept Store

Archaeform GmbH

Breguet

Brigitte von Boch. Be Living GmbH

Tamara Comolli Fine Jewelry GmbH

Hermann Franzen GmbH & Co. KG

Marietta Franzen, Düsseldorf

Monika Gottlieb, Düsseldorf

Dr. Peter Kober und Ingrid Kober, Schwelm

Dr. Dietrich Komossa, Düsseldorf

KPM Königliche Porzellanmanufaktur Berlin GmbH

LVR-Industriemuseum Oberhausen

Schirmmuseum Annelies Pennewitz, Weimar

Spielzeugmuseum Nürnberg

Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Stadtmuseum Weimar

Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, Jena

Tiffany & Co.

Toskanaworld GmbH/Goethes Gartenhaus II

Wilkhahn. Wilkening + Hahne GmbH & Co. KG


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